Unser Verein in den Medien
Frankfurter Rundschau - März 2015
Lutz Weber, Fritz Stanke, Harry Buntin machen ihre Niddainsel sommerfein.
© Christoph Boeckheler
FRANKFURT-NIED
Nackte an der Nidda
Ganzkörperbräunung ist den Mitgliedern des SV Orplids, einem Verein für Körperkultur, nicht so wichtig wie Sport und Naturnähe. Blickdichte Zäune umgeben das etwa 10.000 Quadratmeter große Areal, das der Verein 1963 gepachtet hat.
Von Ferdinand Sander
Wer ins Paradies will, muss nicht auf den Tod warten. Es genügt, nach Nied zu fahren. Dort, hinter der Eisenbahnersiedlung, zwischen Nidda und dem Nieder Wald, liegt Orplid, eine Insel. Der Lyriker Eduard Mörike beschrieb das Eiland: „Orplid, mein Land! / Das ferne leuchtet; / Vom Meere dampfet dein besonnter Strand / Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.“
Mörike hat Nied zwar nie besucht. Aber die Gründer des SV Orplid Niddainsel fanden in seinen Zeilen, was sie sich selbst wünschten: Einklang mit der Natur und Harmonie. Darum haben sie den Namen von Mörikes Sehnsuchtsort übernommen.
Der SV Orplid ist ein Verein für Freikörperkultur. Deswegen schätzt Holger Löffel, dass die Niddainsel so abgelegen ist, umströmt von einem Altarm des Flusses. Der 54 Jahre alte Mann geht gern nackt schwimmen, aber nicht in öffentlichen Badeseen. Dort fühle er sich nicht wohl. Oft stünden Leute da, „nur um zu starren“. Einige „fotografieren auch mit riesigen Teleobjektiven“, sagt Löffel. Ein Freund von ihm kann das bestätigen. Der Psychotherapeut, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, habe es sogar schon erlebt, dass Gaffer sich im Gebüsch selbst befriedigt haben.
So etwas bleibt den rund 400 Mitgliedern des Vereins in Nied erspart. Blickdichte Zäune umgeben das etwa 10.000 Quadratmeter große Areal, das der Verein 1963 gepachtet hat. Zu siebt waren sie am Anfang. Die Mitglieder haben das Grundstück gerodet, Sportflächen angelegt, ein Schwimmbecken und ein Vereinshaus gebaut. Die Anlagen halten sie auch selbst in Stand.
Wer Mitglied wird, verpflichtet sich deswegen zu acht Arbeitsstunden im Jahr. Das ist ziemlich wenig, findet Lutz Weber. Der 71 Jahre alte Mann ist gerade damit beschäftigt, neuen Sand auf das Volleyballfeld zu schaufeln. „Im Sommer sieht’s hier natürlich schöner aus“, sagt er. Noch ist es März und der Wind weht kalt. Das hat einige Sportler aber nicht davon abgehalten, schon nackt auf dem Feld zu spielen, nur mit Neoprenschuhen an den Füßen. Neben Beachvolleyball gehören auch Tischtennis, Badminton, Schach und Schwimmen zum Sportangebot des Vereins.
Beim Sport ist nicht jeder nackt. Die einen tragen Kleidung, die anderen nicht. „Wie man will“, sagt Harald Buntin, der erste Vorsitzende. Ab und zu seien andere Frankfurter Sportvereine zu Besuch. Die hätten sich gewundert: „Ihr seid ja gar nicht immer nackt.“
Das sei auch nicht das Wichtigste. Darum nennen sich die Vereinsmitglieder auf ihrer Internetseite auch Naturisten. Es gehe nicht nur um Nacktheit, auch um sportliche Betätigung in der Natur. Naturisten nennen sie sich ebenfalls, um sich von sogenannten FKK-Clubs abzugrenzen. Mit Sexualität habe FKK nichts zu tun. „Auch wenn viele deswegen bei uns anrufen oder vorbeikommen“, sagt Anna Schäfer. Die merkten dann aber schnell, „dass es hier anders läuft.“
Die Atmosphäre sei familiär, sämtliche Mitglieder per du. Jeder habe auch einen Schlüssel zum Vereinsgelände, könne kommen und gehen, wann er wolle. „Es ist schön, so eine Oase in Frankfurt zu haben“, sagt Schäfer. 30 Jahre lang habe sie im Frankfurter Nordend gewohnt. Erst als sie nach Nied gezogen ist, habe sie auch vom FKK-Verein gehört. „Schade, dass es so lange gedauert hat“, fügt sie hinzu.
Nackt zu sein, das sei nicht für jeden etwas. Darüber sind sich die Orplider einig. Auch wenn einige junge Familien dabei seien, betrage das Durchschnittsalter der Mitglieder denn auch 50 bis 60 Jahre. Es sind die Kinder der Flower Power-Generation und der 68er-Bewegung. „Wer in den 60er Jahre aufgewachsen ist, für den ist Nacktheit was ganz normales“, sagt Buntin.
Nacktsein, das fühle sich großartig an. „Man muss es erleben.“ Der Psychotherapeut sieht das genauso. In der Familie habe man immer nackt gebadet. Nacktheit habe etwas Spielerisches, entgegen jeder Konvention. „Es gibt keine Hierarchien“, fügt er hinzu. „Ob Banker oder Bauarbeiter – nackt sind alle gleich.“
Wer neugierig geworden ist, kann sich beim Tag der offenen ein Bild vom Vereinsleben machen. SV Orplid Niddainsel, Vorm Wald 28.
Frankfurter Rundschau - Dezember 2019
Am Rand hat der Teppich eine Bordüre, die ebenfalls mit zahlreichen Motiven gestaltet wurde. Foto: Rolf Oeser
© ROLF OESER
Nudisten und Bembel aus buntem Garn
Seit dreieinhalb Jahren sticken mehr als 400 Menschen an einem Wandteppich für den Frankfurter Bolongaropalast. Nun ist er fertig.
Das Erste, was einem auffällt, wenn man in den ersten Stock der Stadtteilbücherei in Frankfurt-Sossenheim kommt, ist die Stille. Nun ist es eigentlich nicht ungewöhnlich, wenn es in einer Bibliothek leise ist, doch in diesem Fall sitzen gut ein Dutzend Frauen um einen Teppich herum und reden kaum ein Wort. Jede hat eine Nadel in der Hand und ist äußerst konzentriert bei der Arbeit. Kekse machen die Runde und auch ein Gläschen Likör wird hier und da getrunken. Seit mehreren Wochen treffen sich die Frauen zum Sticken – manch eine ist sogar schon seit Jahren dabei. Was hier bestickt wird, ist aber keine Tischdecke, sondern ein großer Wandteppich. In Zukunft soll er einmal den Innenbereich des Bolongaropalastes schmücken.
„Ende 2022 soll es so weit sein. Rechnen wir mal mit 2024“, sagt Projektinitiatorin Edda Bhattacharjee mit Blick auf die Fertigstellung des Bolongaropalastes. Anders als das Gebäude ist der Wandteppich aber pünktlich fertig geworden. Die letzten Stickarbeiten wurden in der vergangenen Woche durchgeführt. Nun folgen zwar noch ein paar kleine Feinarbeiten, doch der Teppich konnte am Montag erstmals offiziell präsentiert werden.
Bis er an seinem vorgesehenen Platz im Palast – einer sechs Meter langen Wand im Empfangsbereich – hängen wird, soll er vorübergehend im Ostpavillon unterkommen. Dort sitzt momentan die Verwaltungsstelle Höchst, und Leiter Henning Brandt wird sich den Teppich dann täglich anschauen können.
Mehr als nur einen Blick auf das Kunstwerk zu werfen, lohnt sich in jedem Fall. Die mehr als 400 Menschen, die am Teppich mitgestickt haben, waren äußerst kreativ und haben in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren eine Vielzahl an Motiven auf den Stoff gebannt.
In der Mitte prangt der Schriftzug „Bolongaropalast“. Von links nach rechts schlängelt sich der Main über die gesamte Länge des Teppichs, im Fluss schwimmen bunte Fische. Ansonsten gibt es Einhörner und Meerjungfrauen, Pelikan und Schmetterling, einen Heißluftballon, Bücher, aber auch typisch Regionales, wie Bembel und Gerippte. Mehrere Embleme der Stadtteile oder auch der Eintracht zieren den Stoff. Ganz rechts findet sich der FKK-Verein Orplid Niddainsel samt nackiger Familie.
„Die Motive sind so vielfältig wie die Menschen, die sie gemacht haben“, sagt Edda Bhattacharjee. Mal stickten Schüler der IGS West mit, mal waren es Patienten im Krankenhaus Höchst. Männer, Frauen, Mädchen, Jungen – Menschen jeden Alters und jeder Herkunft haben mitgeholfen, so die Projektinitiatorin. „Der Teppich zeigt die Verbundenheit der Bevölkerung mit dem Bolongaropalast.“
Warum die Wahl letztendlich auf einen Wandteppich fiel, kann Bhattacharjee gar nicht mehr sagen. Vielleicht, weil das Sticken eine jahrhundertealte Tradition ist, die im Kultur- und Museumsverein Bolongaro wertgeschätzt wird. Vielleicht, weil es einfach etwas sein sollte, an dem viele Menschen mitwirken können. Denn, das betont die Initiatorin immer wieder, das Projekt sollte Kultur für alle sein. „Es ist im Laufe der Zeit dann auch zur Kultur von allen geworden.“
Immer wieder war Bhattacharjee von den Ideen der Teilnehmer überrascht. Immer wieder seien neue Interessenten dazugestoßen und hätten Motive beigesteuert. So auch heute, bei einem der letzten Sticktreffen in der Bücherei Sossenheim. Das Mädchen Emely kam zum Bücherausleihen und blieb zum Sticken einer Blume. Dass sie keinerlei Erfahrung hat, macht gar nichts. Jedem wird zur Hand gegangen.
Fast ein Neuling ist auch Hildegard Kretschmer. Die Sossenheimerin stickt mit weißem Faden gerade die Seiten eines Buches. „Das ist das Logo des Vereins Sossenheimer Bücherwurm“, erklärt sie. Sie sei selbst Mitglied und erst spät zum Projekt gestoßen. Seit drei Terminen stickt sie am Teppich mit.
Annemarie Kisterenyei ist seit diesem Sommer dabei. „Ich kann eigentlich nicht sticken“, verrät die Frau aus Nied. Aber man komme auf den Geschmack. Sie habe an der Darstellung der Nudisten vom SV Orplid Niddainsel mitgearbeitet. Gut 35 Stunden Arbeitszeit stecken in dem Motiv. Heute in Sossenheim widmet sie sich einer Biene. Besonders begeistert habe sie die Gemeinschaft beim Projekt. Das nun alles vorbei ist, mache schon wehmütig. „Es wird uns bestimmt fehlen.“
Edda Bhattacharjee erzählt noch eine Anekdote aus der Stickaktion am Krankenhaus Höchst. Ein Patient aus der Psychiatrie habe unter Panikattacken gelitten. Der Mann stickte am Teppich mit und kam tags darauf wieder zu Bhattacharjee. „Er sagte zu mir, dass er zum ersten Mal seit langem wieder geschlafen habe.“ Die beruhigende Wirkung des Stickens hatte Erfolg. Die Projektinitiatorin empfahl ihm, auch privat weiter zu sticken.
Pflaster habe sie immer dabei gehabt, aber zum Einsatz sei es nie gekommen. „Wir haben stumpfe Nadeln“, sagt sie und lacht. Auch das viele Garn sei von Bürgerinnen und Bürgern gestiftet worden. „Es war eine friedliches und fröhliches Projekt.“
Am Teppich sind unterdessen noch zwei weitere Mädchen zur Gruppe gestoßen. Auch sie wollen mithelfen. Eine der erfahreneren Teilnehmerinnen verrät noch eines der Erfolgsgeheimnisse des Projekts: „Man steht nicht auf, bis das Motiv fertig ist.“ Dann beugt sie sich wieder über den Teppich und stickt weiter. Für einige Minuten ist es wieder ganz still in der Bücherei.
Schmuckstück
Der Wandteppich für den Bolongaropalast ist fünf Meter lang und 80 Zentimeter hoch.
Mehr als 400 Menschen aus Höchst und den westlichen Stadtteilen Frankfurts haben daran mitgewirkt. Weitere 50 waren in die Organisation eingebunden. Gestickt wurde immer an wechselnden Orten: beispielsweise in Einrichtungen des Frankfurter Verbands, in Stadtteilbibliotheken, Schulen, der VHS und im Industriepark Höchst.
Im Empfangsbereich des Bolongaropalastes wird der Teppich schlussendlich zu sehen sein. Aktuell wird das Gebäude saniert. Der Fertigstellungstermin wurde bereits mehrmals nach hinten verschoben. Geplant ist das Ende der Bauarbeiten momentan für Herbst 2022.
Der Bolongaropalast in Frankfurt-Höchst stammt aus dem 18. Jahrhundert. Die aus Italien stammenden Kaufleute Josef Maria Markus Bolongaro und Jakob Philipp Bolongaro ließen ihn von 1772 bis 1774 errichten.
Da ihnen Frankfurt das Stadtrecht wegen ihrer Zugehörigkeit zum Katholizismus verwehrte, bot ihnen der Kurfürst von Mainz an, sich in Höchst anzusiedeln. Das gehörte damals noch zum Kurfürstentum Mainz.
Bereits 1779 verstarb jedoch Joseph Maria Marcus Bolongaro, ein Jahr später sein Bruder. Josephs Witwe bewohnte den Palast noch mehrere Jahre. Anschließend wurde das Gebäude meist verpachtet.
Die Stadt Höchst – damals noch selbstständig – machte den Palast um 1910 zu ihrem Rathaus. Mit der Eingemeindung 1928 kam Frankfurt in den Besitz des Hauses. Die Stadt nutzt es als Dependance des Römers.